Die 3 größten Fehler bei der Digitalisierung der Politik

Die Digitalisierung macht natürlich auch vor der Politik nicht halt. Doch oft treffen wir eher auf Frust als auf Begeisterung. Das liegt oft daran, dass drei Fehler gemacht werden: Zu viele Apps, zu wenig Koordination und zu umfangreiche Tools. Im Kern stellt sich nämlich heraus: Wir digitalisieren gar nicht, sondern wir verpacken analoge Kommunikation in Smartphones und Laptops. Das verbindende Element ist dabei unser Gedächtnis – und das strengt vor allem an.

Heute packen wir mal aus: Wir zeigen, worin die allermeisten bei der Digitalisierung der Politik scheitern. Denn oftmals erleben wir, wenn wir mit unseren PolisiN-Workshops vorbeikommen, dass es schon Ansätze der Digitalisierung gibt – und treffen mitunter auf ziemlich resignierte Mitstreitende vor Ort. Aber was ist schiefgelaufen?

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Das bisschen Digitalisierung erledigt sich von allein…


Grundsätzlich können wir sagen, dass Politik vor allem im Verhältnis zum dienstleistenden Gewerbe noch erheblichen Nachholbedarf in der Digitalisierung hat. Bis heute werden die allermeisten Unterlagen ausgedruckt. Wenn sie digital vorliegen, sind es starre PDFs, bei denen penibel auf die aktuelle Version zu achten ist. Und selbst wenn sie in einer Cloud liegen – sei es in einem Ratsinformationssystem oder einem selbst eingerichteten Dienst – dann wird zum Diskurs in den eigenen Reihen oder im Austausch mit anderen dennoch mindestens so oft per Anhang verschickt wie heruntergeladen.


Das ist nur ein Beispiel. Bei Passwörtern, dem Datenschutz oder auch bei digitalen Absprachen ist es ähnlich: Irgendwas findet schon statt. Aber es ist wenig koordiniert, meist komplizierter als zuvor und vor allem führt es oftmals zu sehr viel mehr Stress. Dabei sollte die Digitalisierung doch alles einfacher machen! Nicht wenige raufen mittlerweile die Hände über den Kopf zusammen und rufen: Schluss aus, zurück zu Papier und Stift – das wird doch alles nichts! Dabei sind die Ursachen oftmals immer gleich – und immer gleich zu beheben.

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Es klingelt, es surrt, es pingt – und es nervt


Da wir Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram seit vielen Jahren im Alltag nutzen, nutzen wir sie natürlich auch in der Politik. Doch in den meisten Fällen gab es keinen Neujahrstag, an dem auf einmal alle umgestellt haben. Vielmehr hat es sich mit der Zeit so eingespielt: Hier eine neue Gruppe, dort ein geheimer Chat. Manches doch lieber per E-Mail. Und für die letzte Info gibt es die 17minütige Sprachnachricht, die man ja auf doppelter Geschwindigkeit abhören kann, während man sich die Schuhe anzieht und zur Sitzung hechelt. Und es gibt immer einen, der nur Signal nutzt.


Es zeigt sich ein Dschungel an Diensten und Quellen, die nur deshalb miteinander in Verbindung gebracht werden, weil wir das alle in unseren Köpfen tun. Würden wir uns nicht ständig merken, wer wo wie am besten zu erreichen ist und wo welche Info noch einmal nachzulesen war, bräche alles sofort zusammen. Und das ist anstrengend und das nervt. Denn eigentlich ist die Kommunikation gar nicht digitalisiert. Die Informationen sind digitalisiert, die Koordinierung, Verarbeitung und Vernetzung findet aber nach wie vor analog statt. Nur, dass es im Vergleich zu früher statt Brief und Telefon jetzt noch drölfzig weitere Möglichkeiten gibt.


Oftmals verwechseln wir Digitalisierung damit, dass irgendwas auf einem Smartphone oder auf einem Laptop läuft. Wenn es Ping macht, muss es digital sein. Aber sind wir ehrlich: Wenn es Ping macht, sind wir oftmals einfach nur noch genervt. Denn hinzu kommt auch noch: Wem antworte ich wann, wie. Was lasse ich ruhen, muss mich aber später dran erinnern – und wann hatte eigentlich unser Vorsitzender Geburtstag? Damit wir das alles händeln können, schreiben wir es auf – sehr gerne auch wieder auf Papier. Aber kaum haben wir das einigermaßen im Griff, kommt die nächste Keule.

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Wir machen ab jetzt einfach alles in der Cloud


Kaum hat man sich ein System zurechtgelegt und sieht halbwegs durch, kommt jemand um die Ecke, der auf Arbeit jetzt seit einiger Zeit einen Cloud-Dienst nutzt und möchte das jetzt auch für die eigene politische Organisation einführen. Grundsätzlich spricht da ja auch nichts dagegen, also stimmen alle dafür und so ein Ding wird angeschafft. Aber dann gehts los: Wer bekommt denn jetzt alles Zugriff – nur die Fraktion oder auch der Ortsvorstand? Was ist mit den nicht-öffentlichen Unterlagen? Ist das jetzt eigentlich die wirklich finale Version? Wer hat die denn jetzt eigentlich auch mitbekommen, muss ich noch wem Bescheid geben?


Nicht selten fühlt es sich so an, als würde jemand in die Arena der Kommunikation einfach noch ein neues Etwas reinschmeißen und genüsslich dabei zusehen, wie es einfach nur noch brennt: So lasset die Spiele beginnen. Statt Vereinfachung kommt schlichtweg noch etwas hinzu, was koordiniert werden muss. Da macht jemand letzte Änderungen, informiert alle darüber per E-Mail und geht aber durch eine Nachricht in der Telegram-Gruppe noch einmal sicher, ob es auch alle bekommen haben. Umgekehrt musst du deine Mails lesen, überall die Cloud eingerichtet haben und im Chat Bescheid geben, dass du es gelesen hast. Und dann sagt einer per Sprachnachricht, er sei jetzt aber gar nicht mit den Änderungen einverstanden – und warum ihn denn keiner erst einmal anrufe!


Hier zeigt sich vor allem ein Unterschied zur Wirtschaft: Die Cloud auf Arbeit funktioniert in einem geschlossenen Rahmen und einem hierarchisch strukturieren System. Im Gegensatz zum freien Mandat und freiwilligem Ehrenamt gibt es im Betrieb das Prinzip der Anweisungen, oftmals Verantwortliche für die Technik und dazu eine zumeist geübte Reihenfolge der Kommunikationsstufen. Wer das unverändert auf den offenen Betrieb der Demokratie loslässt, den erwartet das böse Erwachen. Doch, bevor wir uns gleich den tatsächlich vorhandenen Lösungen widmen, kommt leider gerne noch eine Sache hinzu.

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Ich hab da was im Netz gefunden!


Denn noch komplizierter als das eigene System aus Zetteln, Büchlein und „Auf neu behalten“, wird es, wenn jemand im Netz ein Verwaltungs-Tool für sich entdeckt hat und es nun für alle einführen will. Ehe man es sich versieht, ist ein Trello-Board eingerichtet, finden Abstimmungen über Doodle statt oder jemand hat das komplette nächste Halbjahr schon mal über Monday vorgeplant. Das ist grundsätzlich natürlich löblich, aber es trifft eben auf bereits vorhandene, individuelle Systeme. Und nicht für jeden ist das alles so selbsterklärend.


Denn nicht selten ging es zunächst nicht um die Eignung für die eigene Truppe, sondern: Es sah so schön aus ODER das hatte so viele tolle Funktionen ODER das hat mir jemand aus der anderen Fraktion gezeigt. Wir merken: Nichts davon hatte mit der eigentlichen Arbeit und vor allem Arbeitsweise zu tun. An dem Fakt, dass die eigentliche Koordinierung weiterhin in unserem Kopf stattfinden muss, ändert auch keine neue Übersichtstabelle oder ein aufeinander aufbauender Zeitstrahl etwas.


Im Zentrum von Politik steht immer noch die Information, deren Verarbeitung, Diskurs und Aufbereitung. Solange wir das nach wie vor händisch machen, haben wir nicht digitalisiert. Der Vorteil eines digitalen Prozesses besteht darin, dass dieser Informationen zuverlässiger, objektiver und schneller verarbeiten, aufbereiten und vernetzen kann. Lediglich der Diskurs sollte bei uns verbleiben – und das ist auch gut so. Bei dem landauf landab zu erlebendem Kommunikationsdurcheinander mag eine neue Software erst einmal verlockend wirken, hier Struktur reinzubringen – aber ohne einen Austausch über Grundlagen ist alles Zusätzliche ein Brandbeschleuniger.

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Fragen wir uns, was wir wirklich brauchen


Am Anfang steht vielmehr der Austausch, was wir wollen und erst dann, was es dazu braucht. Es geht also erst einmal um eine Auflistung dessen, was aktuell genutzt wird, sowie eine Diskussion darüber, was verbessert werden könnte. Natürlich gehört auch dazu, sich auf ein paar Grundzüge zu einigen: Wer nach wie vor alles auf Papier haben will, wird sich kaum vernetzen lassen. Aber auch das ist wichtig: Sich auf das zu einigen, worauf man sich aktuell einigen kann. Und von dort schauen, was besser gemacht werden kann. Manch Skepsis entfleucht auch dadurch, dass Prozesse eher Stück für Stück eingeführt und im Miteinander tatsächlich einfacher werden.


Das Wichtigste dabei ist: Es darf zunächst in keinem Fall um irgendwelche Programme oder Dienste gehen. Egal, was wir am Ende wollen, eine Software dafür gibt es ganz sicher, die findet sich dann im Anschluss. Pressen wir unsere Kommunikation nicht in das, was wir kennen oder mal gezeigt bekommen haben. Sondern bauen wir uns eine digitale Kommunikation, die auf uns passt und suchen dann, wer das leisten kann. Mit dieser Anforderung können wir dann uns bekannte Expert:innen aufsuchen, Testversionen ausprobieren oder schauen, wie weit wir mit den bisherigen Lösungen kommen. Digitalisierung ist kein Schalter zum Umlegen, es ist ein mehrmonatiger (wenn nicht sogar -jähriger) Prozess, gerade in der kommunikationsschweren Politik.

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Bauen wir Systeme, die ineinander greifen


Wenn wir wissen, was wir wollen, dann sollten wir auch darauf achten, wie die Koordination bspw. zwischen einem Projektmanagement-Tool, einem Messenger und einer Cloud erfolgt. Wenn dies weiterhin weitestgehend händisch erfolgen muss, stehen wir wieder am Ausgangspunkt. Aber es gibt Schnittstellen von Anbietern, es gibt aufeinander aufbauende Systeme, es gibt vermittelnde Software-Lösungen, etwa für Automatisierungen. Es gibt automatisierte Protokolle, Terminkoordinierungen oder auch Analysen.


Auch deshalb ist es wieder wichtig, dass wir zunächst wissen, was wir wirklich wollen. Beispiel: ‚Wenn ein Antrag verändert wird, soll dies allen angezeigt werden. Die verfassende Person kann zudem erkennen, dass alle es gesehen haben und einverstanden sind.‘ Eine Cloud ist beispielsweise nur dann sicher und effizient, wenn eben nicht noch zusätzlich E-Mails mit Anhängen umherfliegen. Dafür braucht es aber eine Verzahnung der Kommunikation und auch entsprechende organisatorische Festlegungen. Ja, wir müssen uns dann einig sein, dass keine Anhänge mehr verschickt werden. Oder eben erst einmal doch auf die Cloud verzichtet wird.

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Das nächste Thema drängelt schon: Die KI


Letztlich befinden wir uns mitten im Übergang vom Informations- zum Wissenszeitalter. Denn neue Large Language Models wie ChatGPT zeigen noch bisher weitestgehend ungenutzte Potenziale auf: Emails, die vorformuliert werden, ebenso Anträge, Pressemitteilungen, selbst Grafiken und Videos. Und auch wenn wir heute noch mitunter schwer schmunzeln: So schlecht wie jetzt wird KI nie wieder sein, denn sie lernt jeden Tag und das exponentiell.


Dazu kommen weitere Möglichkeiten der Aufbereitung. Wenn KI erst einmal trainiert ist und vollgepackt bis oben hin mit allem Wissen bspw. rund um den eigenen Ort, dann sind verschiedene Dienste jetzt schon in der Lage, ganz neue Zusammenhänge aufzuzeigen und neue Lösungswege vorzuschlagen. Die Kommunikation zwischen den Daten wird also tatsächlich in Teilen abgenommen und so aufbereitet, dass die Digitalisierung tatsächlich einen Mehrwert hat.


Doch bis dahin ist es noch ein gar nicht so kurzer Weg. Umso besser, dass wir jetzt mit der Digitalisierung Schritt für Schritt anfangen und Erfahrungen sammeln können. Räumen wir erstmal auf und setzen wir auf Prozesse, die uns wirklich helfen. Und dann bereiten wir uns darauf vor, dass neue Technologien uns ab sofort nicht noch mehr Bauchschmerzen machen, sondern wirklich etwas erleichtern. Was wir jetzt dabei nicht in Erfahrung bringen, müssen wir in einigen Jahren umso ruckhafter (und teurer) aufholen. Wo Sie jetzt anfangen können und was zu tun wäre, erfahren Sie auch in unseren Workshops – machen Sie doch jetzt gleich ein Gesprächstermin.

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